Marodes Herzenhäusle 1867 gebaut

05.09.2021

Jetzt soll es im Laufe des Jahres 2021 abgebrochen werden, steht in der Antwort der Stadtverwaltung auf eine Anfrage des Vorsitzenden der CDU-Gemeinderatsfraktion, Günter Bächle – Maßnahmen zum Hochwasserschutz an der Schmie geplant

Mühlacker-Lienzingen. Nach der letzten Bewohnerin heißt das marode Gebäude am Bachweg im Volksmund „Herzenhäusle“. Wer das nicht so genau weiß, spricht auch schon einmal vom „Hexenhäusle“. Jetzt soll es im Laufe des Jahres 2021 abgebrochen werden, steht in der Antwort der Stadtverwaltung auf eine Anfrage des Vorsitzenden der CDU-Gemeinderatsfraktion, Günter Bächle. Die Nachricht aus dem Rathaus: „Die Vorbereitung zur Angebotseinholung läuft.“

Die Stadt Mühlacker wurde Eigentümerin, weil sie für das rund 900 Quadratmeter große Grundstück im Mai 2018 ihr Vorkaufsrecht ausgeübt hatte. Das Anwesen auf den Flurstücken 182/7 und 181 erstreckt sich zwischen Bachweg (Lienzingern auch geläufig auch unter der Bezeichnung Wette) und Schmiebach.

Das Hausgrundstück 182/7 liege im Sanierungsgebiet „Ortskern Lienzingen“. Das Gebäude sei in einem sehr schlechten Zustand und damit abrissreif, zitiert der Stadtrat aus der seinerzeitigen Vorlage der Verwaltung. Das unbebaute Flurstück 181 grenze direkt an. Hierbei handle es sich um eine landwirtschaftliche Fläche. Beide Flurstücke lägen direkt am Schmiebach. Zur Umsetzung des Hochwasserschutzkonzeptes würden diese beiden Flurstücke für den Bau einer geplanten Hochwasserschutzwand beziehungsweise eines Deichs benötigt.

Wann genau das Gebäude mit der Adresse 26/1 errichtet wurde, sei zunächst nicht bekannt gewesen, so Bächle in der Mitteilung der Fraktion weiter. Es sei auf jeden Fall vor dem Zweiten Weltkrieg errichtet worden, habe es ursprünglich geheißen. „Niemand konnte es zunächst genau sagen“. Letztlich habe Stadtarchivarin Marlies Lippik in akribischer Kleinarbeit ganz aktuell das Baujahr ermittelt und so eine ortsgeschichtliche Lücke geschlossen: Es war anno 1867. Bewohnt gewesen sei es bis zum Jahr 1968 und stehe seitdem leer. Ein einfach gebautes Häusle, an dem allerdings der Zahn der Zeit immer weiter nagte.

Nach Überlieferungen sei es einmal um eine Etage aufgestockt worden. Bächle: „Doch schon laut Urkarte des Ortskerns von Lienzingen stand dort im Jahr 1835 ein Gebäude – mit quadratischer Grundfläche und nicht, wie jetzt, einer rechteckiger.“ Nachdem in Lienzingen in den ersten Jahren nach 1945 mehr als 250 Vertriebene ankamen, denen ein Dach überm Kopf verschafft werden musste, wohnten dort nacheinander Familien, die ihre Heimat hatten verlassen müssen, bis sie in eine bessere Unterkunft umziehen konnten.


Der seinerzeitige, im Hessischen wohnhafte Eigentümer wollte vor knapp 20 Jahren auf dem Grundstück ein neues kleines Wohngebäude anstelle des alten errichten. Dies sei in einer Sitzung des zuständigen Gemeinderatsausschusses am 7. Oktober 2003 heftig umstritten gewesen, habe aber dann doch eine Mehrheit erhalten, erinnert sich der Lienzinger Stadtrat. Er habe damals für den Neubau gestimmt. Die Baugenehmigung sei aber nach ein- oder zweimaliger Verlängerung verfallen, da sie doch nicht in Anspruch genommen worden sei. In den Vorlagen für den Gemeinderat finde sich vom damals planenden Architekt Raimund Gottwald eine Fotodokumentation der Inneneinrichtung. Das Haus war jedenfalls damals noch, wenn auch eher ärmlich, möbliert.

Eines dürfte es nicht gewesen sein, so das Ratsmitglied: das Armenhaus der damals selbstständigen Gemeinde Lienzingen. Denn es kam erst 2018 in den Besitz der Kommune. Zudem stand, einen Steinwurf entfernt, das tatsächliche kommunale Armenhaus (Hauptstraße 66, heute Friedenstraße 24). Der Lienzinger Gemeinderat ließ 1951 bei erwarteten Baukosten von 18.000 Mark das frühere Armenhaus aufstocken. Zwei zusätzliche Wohnungen entstanden, hatte Bächle in alten Gemeinderatsprotokollen recherchiert. 1959 kaufte einer der Mieter das Haus der Gemeinde ab: Schuhmachermeister Fritz Schaufelberger, der eine Schusterwerkstatt im Erdgeschoss betrieb.

Der CDU-Fraktionssprecher sprach sich davor aus, vor dem Abbruch das Herzenhäusle fürs Archiv zu dokumentieren. Die Stadt sei dann aber auch am Zuge, die Maßnahmen zum Hochwasserschutz am Schmiebach zeitnah umzusetzen.

Das marode Gebäude Friedenstraße 26/1. Der Volksmund spricht vom Herzenhäuslezoom
Das marode Gebäude Friedenstraße 26/1. Der Volksmund spricht vom Herzenhäusle
 

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