"Der Abend soll einen Stein ins Rollen bringen"
Mit kleineren Schritten die Verbundgrenzen überwinden
CDU-Podiumsdiskussion: Ein Ziel, eine Fahrkarte, ein Preis - VVS will Idee der Regio-X-Tageskarte von VPE und KVV aufgreifen
Mühlacker. Gibt es bald auch im Enzkreis eine Regio-X-Tageskarte ins Gebiet des Verkehrsverbundes Stuttgart (VVS), so dass es nicht mehr notwendig ist, in Vaihingen den Zug zu verlassen, um ein VVS-Ticket zu lösen? Jetzt bestehen Aussichten. Denn bei der Podiumsdiskussion von CDU-Gemeinderatsfraktion und -Kreistagsfraktion am Donnerstagabend im kleinen Saal des Mühlehof sagte VVS-Geschäftsführer Dr. Witgar Weber zu, sich darum zu bemühen.
Eine Regio-X-24-Stunden-Tickets bieten bereits Verkehrsverbund Pforzheim/Enzkreis (VPE) und Karlsruher Verkehrsverbund (KVV) gemeinsam an. "Ein Ziel, eine Karte, ein Preis" - dieses Thema der CDU-Veranstaltung soll nun zusätzlich auch in Richtung Stuttgart verwirklicht werden. Für das, was die Experten "Gelegenheitsfahrer" nennen. Wer von Mühlacker ins VVS-Gebiet fährt, muss bisher zwei Fahrkarten lösen - in der Senderstadt und dann in Vaihingen, was Besucher mehrmals beklagten. Man müsse extra deshalb aussteigen: "Ist das Ticket gelöst, ist der Zug weg."
Mühlacker an der Nahtstelle der Verkehrsverbünde VPE, KVV und VVS sollte bei dieser Veranstaltung beleuchtet werden: Von einem hochkarätig besetzten Podium und den zahlreichen Besuchern. Gleich zwei Geschäftsführer von Verbünden - Johannes Schwarzer (VPE) und Witgar Weber (VVS) - sowie KVV-Geschäftsleitungsmitglied Horst Stammler waren mit von der Partie, außerdem der umwelt- und verkehrspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Winfried Scheuermann, und Stadtrat Matthias Lieb. Die Moderation hatte der Vorsitzende der CDU-Gemeinderatsfraktion, Günter Bächle. Er zitierte aus dem Brief einer Bürgerin, die hofft, "dass der Abend einen Stein ins Rollen bringt". Dies sei, so Bächle, dringend notwendig, vor allem der VVS dürfe sich nicht weiter nach Westen abschotten.
"Verbundgrenzen sind preistreibend, die Fahrten werden bis zum Doppelten teurer", beklagte Lieb, auch Kreisvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Baden-Württemberg leide unter einer Kleinstaaterei: 17 Verkehrsverbünde erlaube sich das Land, für Hessen insgesamt gebe es zwei und damit weniger Grenzen. Mühlacker spüre den Nachteil des "Fleckerlteppichs" an Verbünden besonders bei seinen 11.000 Ein- und Auspendlern. 36 Prozent der Auspendler Mühlackers und 56 Prozent der Illingens hätten Ziele im VVS-Gebiet. Trotz langjähriger Debatte habe sich die Lage bisher nur wenig verbessert.
Für einen Gemeinschaftstarif zwischen VPE und KVV sprach sich Horst Stammler aus. Er bedauerte, dass der VPE-Aufsichtsrat diesem Plan zunächst einen Dämpfer versetzt habe. Allerdings rede man inzwischen wieder miteinander. Schwarzer ergänzte, ein Fachbüro sei damit beauftragt worden, die genauen Kosten zu ermitteln. Der VPE-Geschäftsführer räumte ein, kleine Verbünde würden eher an Grenzen stoßen, die das Lösen eines zweiten Tickets für eine einzige Fahrt erfordern.
Für einen Zusammenschluss von VPE und KVV als ersten Schritt plädierte der Landtagsabgeordnete Scheuermann, auch Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion. Seine Vision sei es, einen einzigen großen Verbund zwischen Karlsruhe und Stuttgart zu haben. Das Land fördere die Verbünde mit jährlich 60 Millionen Euro. Der Landtag habe jetzt beschlossen, diese Förderung schrittweise umzustellen auf eine Förderung von Kooperationen und Zusammenschlüsse von Verbünden. Einheitliche Tarife und Fahrkarten machten den Umstieg auf Bus und Bahn attraktiver. Dies sei notwendig, denn "wir können gar nicht so viel Straßen bauen wie wir bräuchten, wenn die Prognosen über die Zunahme der Motorisierung eintreten".
Zu einer Vollintegration von Nachbarkreisen in den VVS wird es nach Einschätzung von Weber nicht kommen, weil der Stuttgarter Verbund ein Eintrittsgeld verlange. Die Hauptlast der 520 Millionen Euro Verbundkosten trügen zu 50 Prozent die Fahrgäste sowie die 141 Kommunen im VVS-Gebiet: "Die Kreise, Städte und Gemeinden wollen nicht, dass sich andere ins gemachte Bett legen." Notwendig seien kleinere Schritte: Tariflücken schließen, damit für eine Strecke nicht bis zu drei Fahrkarten gelöst werden müssen, nahtlose Tarife im Grenzbereich und eine einzige Fahrkarte auch für Gelegenheitsfahrer im Stil der Regio X von VPE und KVV.
Auf Kritik von Besuchern stieß, dass seit einigen Wochen am Bahnhof Mühlacker keine VVS-Karten mehr verkauft werden - aufgrund einer Intervention der Deutschen Bahn AG, die Einnahmeeinbußen befürchtete, wie Weber berichtete. Beklagt wurde auch, dass sich die Verbünde zuwenig an den Kunden orientierten. Statt Lösungen zu suchen, würden nur immer neue Bedenken vorgetragen. Ins gleiche Horn stieß Horst Stammler: "Wenn wir es nicht schaffen, die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs so einfach wie möglich zu machen wie die des Autos, werden wir im Wettbewerb unterliegen."
Für den VPE sagte Schwarzer: "Wir müssen mit dem VVS das erreichen, was wir mit dem KVV schon haben. Und mit dem KVV müssen wir großzügige Überlappungsbereiche ausweisen." Diese können aber, wie Bächle aus einem Brief des Brettener Oberbürgermeisters Paul Metzger an ihn zitierte, nur ein erster Schritt sein.
(02.04.2004)